Moderiert von Jaromír Typlt und begleitet von den suggestiven Klängen seiner Formation „Škrábanice“ („Kritzelei“, gemeinsam mit Michal Rataj), wurden im Prager Goethe-Institut die Otokar-Fischer-Preise verliehen. Gemeinsam mit den Laudatoren feierte ein kleines, aber feines Publikum die drei Preisträger. Die Veranstaltung ist auf deutsch oder tschechisch auf unserem Youtube-Kanal zu sehen.
Ivo Habán und Anna Habánová
erhalten den Otokar-Fischer-Preis für die beste tschechischsprachige germanobohemistische Arbeit für ihren Ausstellungskatalog
Paul Gebauer. Národní památkový ústav 2018
Die Monographie mit Werkkatalog vollzieht die Lebensgeschichte und das künstlerische Schaffen des deutschsprachigen Malers Paul Gebauer (1888–1951) nach. Bis zur Vertreibung verbrachte er den Großteil seines Lebens in seiner Heimatgemeinde Sosnová/Zossen in Mährisch-Schlesien. In fünf Kapiteln wird Gebauers künstlerisches Vermächtnis im Kontext breiterer historischer und kultureller Zusammenhänge vorgestellt. Es ist ein komplexer Erfassungsversuch verschiedener Aspekte im Werk des Malers, das bis heute emotive Reaktionen hervorruft und sicherlich auch in Zukunft noch Gegenstand der Forschung sein wird, sei es im Kontext der regionalen Problematik so genannter Heimatkunst oder im Rahmen einer breiteren Diskussion über den Charakter moderner mitteleuropäischer Realismen der Zwischenkriegszeit und ihren nachfolgenden Missbrauch durch die Propaganda der Nationalsozialisten. Co-Autoren des Buches sind Lenka Rychtářová und Branislav Dorko.
Ivo Habán (geb. 1977 in Brünn) studierte Kunstgeschichte und Geschichte. Er hat sich auf Kunst und Kultur deutschsprachiger bildender Künstlerinnen und Künstler aus Böhmen, Mähren und Schlesien, auf die Klassische Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie die Denkmalpflege mit Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert spezialisiert.
Anna Habánová (geb. 1977 in Náchod) Náchod) studierte Kunstgeschichte und Geschichte. Sie arbeitet als Sammlungskuratorin und unterrichtet Geschichte an der Fakultät für Naturwissenschaften, Humanwissenschaften und Pädagogik der Technischen Universität in Liberec/Reichenberg. Ihr Spezialgebiet sind deutschsprachige bildende Künstlerinnen und Künstler aus Böhmen, Mähren und Schlesien sowie regionale Kunst und Kultur mit Fokus auf die Region Liberec.
Neil Stewart
erhält den Otokar-Fischer-Preis für die beste deutschsprachige germanobohemistische Arbeit für sein Buch
Bohemiens im böhmischen Blätterwald. Die Zeitschrift „Moderní revue“ und die Prager Moderne. Universitätsverlag Winter 2019
Die Moderní revue pro literaturu, umění, a život [Moderne Revue für Literatur, Kunst und Leben], erschienen 1895–1924, war eine zentrale Institution und gleichzeitig ein Katalysator der Modernisierung und Internationalisierung der tschechischen Kultur in der Wendezeit zum 20. Jahrhundert. Das aufwendige und experimentelle Layout der Zeitschrift markiert den Anfang einer bibliophilen Tradition in Böhmen. Nach dem Ersten Weltkrieg vertrat die Revue jedoch anachronistische Standpunkte und endete politisch als Organ der extremen Rechten – ein Prozess, den man als exemplarisch für den Wandel der Moderne und als charakteristisch für ihre prekäre Situation am Vorabend des Faschismus betrachten kann. Stewarts Studie rekonstruiert den Fall der Zeitschrift Moderní revue unter Berücksichtigung sozialhistorischer, ästhetischer, semiotischer und intermedialer Aspekte. Dabei bezieht er insbesondere ihre mediale Originalität, ihren Charakter als komplexen „Text“ mit ein.
Neil Stewart (geb. 1971) studierte Slawistik und Komparatistik und ist seit 2009 Studienrat im Hochschuldienst im Bereich Komparatistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. In seiner wissenschaftlichen Arbeit widmet er sich Themen, die ost- und westeuropäische Literaturen miteinander verbinden, außerdem beschäftigt er sich mit der Problematik von Medialität und Intermedialität. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer ist er auch Übersetzer.
Jiří Stromšík (Hrsg.)
wird für die Herausgabe der germanobohemistischen Forschungen Kurt Krolops (1930–2016) mit einem erstmalig vergebenen, undotierten Sonderpreis der Jury geehrt:
Kurt Krolop: Studie o německé literatuře (Studien zur deutschen Literatur). Triáda 2019
Im Mittelpunkt von Krolops Interesse stand stets und vor allem die deutschsprachige Literatur aus den böhmischen Ländern – besonders des aus Jičín/Gitschin stammenden Karl Kraus und des aus Prag stammenden Franz Kafka – und im Zusamwmenhang damit das Thema der historischen Veränderungen im alltäglichen Zusammenleben von Deutschen, Tschechen und Juden. Krolops Forschungsspektrum war allerdings weitaus breiter. Unter seinen Zeitgenossen dürfte schwerlich jemand zu finden sein, der ihm hinsichtlich seiner fundierten und detaillierten Kenntnisse der gesamten deutschen Literatur zumindest seit dem 18. Jahrhundert ebenbürtig wäre. Die erschöpfende Kenntnis insbesondere der Goethezeit bildet eine feste Grundlage für seine Studien über das 20. Jahrhundert, ebenso bewies er sie in eigenständigen Arbeiten. Seine einleitenden Studien für tschechische Ausgaben von Novalis, Tieck, E. T. A. Hoffmann, der Nachtwachen von Bonaventura, von Goethes Faust und Dichtung und Wahrheit wurden zu einem unübersehbaren Bestandteil der tschechischen Rezeption deutscher Klassik und Romantik. Seine Aufsätze oder auch gelegentliche – oft grundlegende – Anmerkungen zu Karel Čapek, Hašek, Peroutka, Poláček, Šalda und vielen anderen wiesen ihn auch als Kenner der tschechischen wie der slawischen Kultur aus. Seine Texte sind von seltener Objektivität und Ausgewogenheit und zerstören nationale Klischees und Vorurteile auf beiden Seiten des vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten konfliktreichen, aber auch fruchtbaren deutsch-tschechischen Zusammenlebens, außerdem brachten sie eine Vielzahl von neuen, in der früheren Forschung übersehenen Erkenntnissen zutage.
Jiří Stromšík (geb. 1939 in Krhová) studierte Germanistik und Bohemistik. 1964–1969 war er an der Philosophischen Fakultät der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität Prešov tätig, 1969–1974 am Germanistischen Institut der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität Prag, das er aus politischen Gründen verlassen musste. Bis 1990 arbeitete er als Lehrer an einer Sprachschule und als Redakteur des Verlags Odeon. 1990 kehrte er an die Philosophische Fakultät der Karls-Universität zurück, wo er 1996 zum Dozenten und 2004 zum Professor ernannt wurde. In seiner Arbeit als Wissenschaftler beschäftigt er sich mit der deutschen Literatur, insbesondere des Barock, der Moderne, Avantgarde und der Konservativen Revolution. Er übersetzt aus dem Deutschen Belletristik und geisteswissenschaftliche Fachliteratur.