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Böhmerwaldseminar

Seit 2002 existiert das deutsch-tschechische Böhmerwaldseminar, das einmal jährlich in unterschiedlichen Orten Südböhmens mit verschiedenen Partnerorganisationen stattfindet. Es handelt sich dabei um eine deutsch-tschechische Tagung, auf der aktuelle Themen der deutschböhmischen Kulturgeschichte, aber auch der deutsch-tschechischen Beziehungen sowie der Regionalgeschichte des Böhmerwalds diskutiert werden. Die Vorträge werden simultan gedolmetscht. Unter sekretariat@stifterverein.de können Sie sich in den Verteiler aufnehmen lassen, um Einladungen zu erhalten

Einen Bericht zum Böhmerwaldseminar vom 18.-19. September 2021 in Klatovy/Klattau aus der Zeitschrift "Der Böhmerwald" finden Sie hier >>

Böhmerwaldseminar in Domažlice

17.-18. September 2022

Das Böhmerwaldseminar 2022 erinnert u. a. an den bevorstehenden hundertsten Geburtstag des Schriftstellers Otfried Preußler. Der Germanist Carsten Gansel stellt seine neue Preußler-Biografie Kind einer schwierigen Zeit vor. Der Aussiger Germanist Jan Kvapil beschäftigt sich mit der literarischen Beziehung zwischen Preußler und seinem Vater.

In einem weiteren Block beleuchten zwei Beiträge ein aktuelles Projekt zur Topografie der Geschichte der Naturwissenschaften in den böhmischen Ländern. Lenka Ovčáčková konzentriert sich auf Wissenschaftler aus dem Böhmerwald, der Kunsthistoriker Ivo Purš erläutert die wichtige Funktion der Wissenschaft in der Amtszeit Rudolfs II. als König von Böhmen (1575-1611). Der tschechische Spielfilm Protektor schildert – im Gedenken an die Vernichtung von Lidice vor 80 Jahren – die Probleme einer tschechisch-jüdischen Beziehung im Alltag des Protektorats Böhmen und Mähren.

Die Autorin Václava Jandečková präsentiert ihr Buch Fingierte Grenze – Aktion Kámen. Die tschechoslowakische Staatssicherheit lockte zur Zeit des Eisernen Vorhangs dabei Flüchtlinge perfide in eine Falle. Auch der Tauser Verlag Český les (Böhmischer Wald), der in den letzten 30 Jahren eine große Zahl kulturhistorischer Publikationen erarbeitete, stellt sich vor.

Zum Programm und zur Anmeldung >>

Andreas Wiedemann, Historiker und Pressereferent der Österreichischen Botschaft in Prag, thematisiert in seinem Vortrag den Ablauf der Wiederbesiedlung der Grenzgebiete nach 1945 und die davon betroffenen Bevölkerungsgruppen. Sie war von vielen Problemen geprägt: So fanden etwa die Neubesiedlung und die Zwangsaussiedlung der Sudetendeutschen z. T. noch parallel statt, woraus sich nicht wenige Konflikte ergaben. Auch die fehlenden Kenntnisse der Zuzügler über die landwirtschaftlichen Bedingungen verursachten Schwierigkeiten. Die Mehrheit der Neusiedler kam aus dem tschechischen Binnenland (etwa 1,3 Millionen), meist aus den angrenzenden Bezirken. Aber auch Slowaken, Wolhynientschechen und Roma waren häufig darunter. Sein auf dem Böhmerwaldseminar 2021 in Klattau/Klatovy gehaltener Vortrag basiert auf seinem Buch „Komm mit uns das Grenzland aufbauen“, das inzwischen auch ins Tschechische übersetzt wurde.

Moderation: Wolfgang Schwarz (Kulturreferent für die böhmischen Länder)

Der Künstler Lukáš Houdek beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Deutschen aus den böhmischen Ländern. Inspiriert durch verfallene Friedhöfe in seiner Heimatregion um Stříbro (Mies), thematisiert er Vertreibung und Wiederbesiedlung in zwei Ausstellungen mit dem Titel The Art of Killing bzw. The Art of Settling. Gewaltszenen während der Vertreibung der Sudetendeutschen stellte er ebenso mit Barbiepuppen nach wie die Atmosphäre bei der Wiederbesiedlung der Grenzgebiete. In einem Vortrag und anschließendem Gespräch erläutert er u. a. seinen Zugang und die Reaktionen auf seine Arbeiten in Tschechien.

Moderation: Wolfgang Schwarz (Kulturreferent für die böhmischen Länder)

Das Böhmerwaldseminar 2020, das vom 19.-20. September in Klattau/Klatovy vorgesehen war, musste auf Grund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Sie finden hier jedoch einige digitale Vorträge.

So widmet sich Kateřina Čapková vom Institut für Zeitgeschichte Prag der Frage von Transporten deutschsprachiger Juden aus der Tschechoslowakei im Jahr 1946, welche die Konzentrationslager überlebt hatten, nach der Rückkehr auf Grund ihrer deutschsprachigen Herkunft jedoch trotzdem Diskrminierungen ausgesetzt werden. Sie suchten deshalb den Weg der Ausreise aus der Tschechoslowakei.

Tereza Frodlová vom Nationalen Filmarchiv Prag beschäftigt sich mit dem Thema der Vertreibung der Sudetendeutschen im tschechischen bzw. tschechoslowakischen Film. Dokumentarfilme, Filmberichte, Amateurfilmaufnahmen oder Spielfilme vermitteln ein vielfältiges Bild des Vorgangs der Vertreibung und der böhmischen Deutschen, welches in den vergangenen Jahrzehnten starken Wandlungen unterlag.

Tomáš Dvořák von der Masaryk-Universität Brünn geht der Frage nach, welchen Widerhall das Thema Vertreibung der Sudetendeutschen in der tschechischen Gesellschaft nach 1989 fand und welchen Wandlungen der gesellschaftliche Diskurs in den letzten 30 Jahren unterlegen war. Auf welchen Ebenen spielte das Thema eine Rolle, wo gab es Aufgeschlossenheit, wo Ablehnung? Wo gibt es Desiderate in der wissenschaftlichen Tätigkeit, welche wichtige Publikationen und Historiker spielen im gegebenen Kontext eine wichtige Rolle und beeinflussten die öffentliche Meinung? Hat sich das Interesse an der Kultur und Geschichte der Sudetendeutschen in Tschechien verstärkt?

Anna Knechtel (Adalbert Stifter Verein) spricht in Ihrem Vortrag "Vertreibung, weiblich. Autorinnen und Protagonistinnen in der deutschsprachigen Literatur Böhmens" über die literarische Gestaltung der Erfahrungen aus der Zeit der Vertreibung 1945/1946. Dabei werden vor allem die Herausforderungen, denen Frauen sich stellen mussten, vorgestellt und die spezifische Verarbeitung durch weibliche Autoren in den Blick genommen.

 

 

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