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Franz Peter Künzel verstorben

Nun ist auch er von uns gegangen, allen Prophezeiungen zum Trotz, dass er sich zu seinem 100. Geburtstag die Laudatio selber schreiben wird, weil alle seine alten Freunde vor ihm gestorben sind:

Franz Peter Künzel, der Hrabal-Übersetzer und langjährige Herausgeber der Zeitschrift Sudetenland.

Geboren am 31. März 1925 in Königgrätz (Hradec Králové), Schüler deutscher und tschechischer Schulen, Soldat, Kriegsgefangener und Lagerentlassener, der im Allgäu seine neue Heimat und seine erste Frau fand. Künzel war vielseitig: Autor früher Gedichte und Erzählungen, Verlagslektor und intellektueller Wanderer zwischen deutschen und tschechischen Kulturmilieus, Mitarbeiter des tschechoslowakischen Büros in München, das Autoren und Künstler nach der Niederschlagung des Prager Frühlings betreute, ein Mann, der auch in der Zeit der „Normalisierung“ gute Kontakte zum Schriftstellerverband in Prag unterhielt, vielleicht sogar zu gute Kontakte. Immer mehr wurde er zum Übersetzer von tschechischen Lyrikern und Erzählern wie Miroslav Holub und Jaroslav Seifert, Vladislav Vančura und Milan Kundera und schließlich zur westdeutschen Stimme von Bohumil Hrabal, den er für den Suhrkamp Verlag übersetzte, bis hin zur genialen Übertragung des Begriffs „pábitelé“, aus dem Künzel die „Bafler“ machte. Dabei gelang es ihm, den Stil Hrabals nachzuahmen, dessen Redefluss, oft ohne Punkt und Komma, mit seinen assoziativen und surrealen Wendungen höchste Anforderungen an das Übersetzen stellte. So wie Künzel insgeheim mit dem ostdeutschen Übersetzer Karl-Heinz Jähn zusammenarbeitete und dem Schriftstellerverband manches Schnäppchen schlug, wirkte er bisweilen selbst wie eine Figur aus dem literarischen Kosmos von Hrabal, immer ein wenig undurchsichtig und unberechenbar, hintergründig allemal, ein Meister endloser Nebensätze, die er auf quälend langen Zugfahrten auf faszinierende Weise mit einem korrekten Verb zu beenden verstand.

Von den ersten Zugfahrten, die ich mit ihm noch vor 1989 nach Prag unternahm, wo er mich mit Autoren und Sehenswürdigkeiten bekannt machte, blieben Bilder im Gedächtnis von endlosen mitternächtlichen Stunden an der Grenze, bei denen Pässe und Gepäck kontrolliert wurden und auf den Bahnsteigen im düsteren Licht der Lampen junge Grenzer mit Hunden und Maschinenpistolen patrouillierten. Wenn der Zug dann in den frühen Morgenstunden endlich weiterfuhr, sehe ich Künzel mit müden Augen am Fenster sitzen, den herabhängen Mantel vor das Gesicht und den Oberkörper ziehen und schon bald in einen kurzen Schlaf versinken, bis er dann in Prag aufwachte, den Mantel zurückschlug und so munter umherblickte, als ob er 8 Stunden geschlafen hätte.

Jahrelang hat er dafür gesorgt, dass die zweite Nummer der Vierteljahresschrift Sudetenland pünktlich zum Sudetendeutschen Tag erschien und nach der Kulturpreisverleihung am Freitagabend vor Pfingsten für die Gäste auflag, die sie anschauen und mitnehmen konnten. Jetzt ist Franz Peter Künzel am Tag der diesjährigen Kulturpreisverleihung, die im Stadttheater von Regensburg stattfand, am 26. Mai gestorben. 98 Jahre und zwei Monate wurde er alt, und wir rufen ihm nach, lebe wohl, alter Bafler, leb´ wohl und hab´ Dank für alles, was Du uns vermittelt und beigebracht hast. Und dieser Dank gebührt, wie es sich gehört, auch der Weltmeisterin des Schreibmaschineschreibens, die Dich so lange unterstützt und in den letzten Jahren Deines Lebens als Deine zweite Frau fürsorglich betreut hat.

Peter Becher

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