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Veranstaltungsdetails

Dienstag, 28. Januar 2014

19.00 Uhr

Ostwestlich – westöstlich: Marc Chagall und Jiří Mordechai Langer

Ein Abend zwischen Literatur und Malerei: „Neun Tore“ von Jiří Langer sowie Bilder und Texte von Marc Chagall. Mit Kristina Kallert und Sabine Koller

Tschechisches Zentrum, Prinzregentenstraße 7, München

Aufbruch nach West, Aufbruch nach Ost – zwei Wege, wie sie am Vorabend des Ersten Weltkriegs unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der Maler Marc Chagall verlässt den hermetischen Bereich des Schtetls und pilgert der Moderne entgegen, er will in die Metropolen, nach Petersburg und Paris, um die Sprache der neuen Kunst kennen zu lernen. Der junge Jiří Mordechai Langer macht sich 1913 aus seinem aufgeklärt tschechisch-assimilierten Prager Elternhaus auf ins Schtetl Belz, lernt Hebräisch und Jiddisch und lässt sich ganz und gar auf den Chassidismus ein, die große mystische Strömung im Osten, die vielen Westjuden geradezu als Albtraum der Rückständigkeit erschien.

Der Maler legt äußerlich alles Jüdische ab und streift geschminkt durch seine Heimatstadt Vitebsk, der Dichter zeigt sich in Prag mit Bart, Schläfenlocken und Kaftan. Aufbruch in Gegenrichtung, Wege mit konträrem Ziel? Beide wollen das Ganze, wollen Ost und West miteinander verschmelzen, und es gelingt. Der Maler aus dem Osten gibt nicht auf, was der Dichter aus dem Westen sucht und umgekehrt.

Marc Chagall – ob nun in St. Petersburg oder Paris – verbindet russische, jüdische und westeuropäische Kunsttraditionen, ja er bindet Malerei, Sprache und Literatur aneinander. Der Wanderer zwischen den Welten ist auch ein Grenzgänger zwischen Wort und Bild. Viele seiner Werke haben ihren Ursprung gerade in der jiddischen Sprache. Chagall malt „das Jiddische“, bleibt ihm zeitlebens treu, in Paris und auch in New York, er dichtet in dieser Sprache und illustriert – was kaum jemand weiß – nicht nur Gogols Tote Seelen, sondern mehr als ein Dutzend jiddischer Texte. Dieses jiddische Erbe Marc Chagalls hat Sabine Koller erstmals umfassend beleuchtet. Dank ihrer interdisziplinären Monographie Marc Chagall. Grenzgänge zwischen Literatur und Malerei (2013) können wir den bildenden Künstler und den Dichter Chagall neu sehen und lesen.

Neu zu lesen in der Übersetzung von Kristina Kallert sind jetzt auch die Neun Tore von Jiři Mordechai Langer (2012). Diese Sammlung chassidischer Erzählungen lag bisher nur in einer wenig adäquaten, stark gekürzten deutschen Fassung vor. Langers Neun Tore, erschienen 1937, sind weder nur Dokument noch wollen sie Theologie sein – sie sind Theater und Poesie. Das macht sie so einzigartig und zu einem Hauptwerk jüdischer Literatur des 20. Jahrhunderts. Langer war seit 1915 ein Freund Kafkas, war auch dessen Hebräischlehrer, mit ihm hat er das Bewusstsein geteilt, in zwei Welten zu stehen, einer gegenwärtigen und einer verlorenen. Dieses „Dazwischen“ schlägt sich in einer augenzwinkernd-ambivalenten Erzählhaltung nieder: ernst oder komisch? Heilig oder allzu menschlich? Die Erzählungen von den Zaddikim, den heiligen Rabbis, sind aber vor allem Metapher und Gleichnis mit unantastbarem Kern.

Bilder und Texte werden sich an diesem Abend unter verschiedenen thematischen Aspekten begegnen, sich begleiten, dabei streiten, sich einig sein: durch die nie aufgegebene Tradition des Wortes hat die jüdische Kultur ihr historisches Schicksal bewältigt; der Umgang mit dem Wort ist die Wurzel jüdischer Identität. Dies zu erfahren lädt dieser Abend herzlich ein.

Sabine Koller ist Professorin für Slavisch-jüdische Studien an der Universität Regensburg.

Kristina Kallert lebt und arbeitet in Regensburg als freie Übersetzerin sowie als Lektorin für Tschechisch an der Universität Regensburg.

Eine Veranstaltung des Adalbert Stifter Vereins in Zusammenarbeit mit dem Tschechisches Zentrum München und der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition e.V.

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