Als einige Adelige aus Böhmen und Mähren nach 1945 Brücken über politische, nationale und gesellschaftliche Grenzen hinweg schlugen, war ihr Wirken von Kultur, Menschlichkeit und christlichem Glauben geprägt. Dank ihrer familiären Verbindungen sowie der Zugehörigkeit zu europäischen und christlichen Netzwerken und geleitet von einem ererbten Verantwortungsgefühl trugen auch sie schließlich zur politischen Wende im Jahr 1989 bei.
Die Ausstellung beleuchtet das Leben und Engagement von Johanna von Herzogenberg, Karl Schwarzenberg, Pater Angelus Waldstein-Wartenberg OSB, Nikolaus Lobkowicz, Franz Schwarzenberg, Richard Belcredi, Ferdinand Kinsky, Daisy Waldstein-Wartenberg und Familie Thun so wie weiterer Persönlichkeiten. Dieses Thema wird bislang in der Forschung nur wenig bis kaum beachtet, vermutlich auch weil es in der Regel abseits der Öffentlichkeit stattfand; darüber hinaus können inzwischen nur noch wenige Zeitzeugen berichten.
Neben den Biografien und Aktivitäten einzelner Persönlichkeiten zeigt die Ausstellung auch die Hintergründe ihres Engagements, die sich aus der Einstellung des Adels zum Eigentum, zum Kulturerbe, zur Nation, aber auch aus der christlichen Weltanschauung ergeben.
Gestalterische Konzeption, Ausstellungsarchitektur, Ausstellungsgrafik: Büro für Gestaltung Wangler und Abele - Amelie von Büdingen, Lisa Kelso, Kathleen Dhimogjini.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut zur Erforschung der totalitären Regime (Prag) und Post bellum (Prag).
Gefödert wurde sie durch: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bayerisches Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales und Deutsch-Tschechisches Zukunftsfonds.
Der zweisprachige Film, in dem mehrere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von ihren Erfahrungen berichten, ist eine persönliche und fesselnde Geschichte des böhmischen und mährischen Adels von 1918 bis heute. Er ist im Rahmen der Ausstellung des Adalbert Stifter Vereins "Kulturelle Brücken in Europa. Adel aus Böhmen und Mähren nach 1945" in Zusammenarbeit mit Memory of Nation (Post Bellum) entstanden und ist auf dem YouTube-Kanal des Adalbert Stifter Vereins zu sehen.
Im Rahmen der Ausstellung Kulturelle Brücken in Europa. Adel aus Böhmen und Mähren haben wir in Zusammenarbeit mit Post bellum/Memory of nations mit einigen Mitgliedern aus der Reihen des böhmischen und mährischen Adels über ihre Familien und auch über ihre persönliche Erfahrungen mit dem Leben im Exil, bzw. nach der Vertreibung aus ihrer Heimat gesprochen. Die Filminterviews mit Richard Belcredi, Aglaë Hagg (geb. Thun), Isabella Harnier (geb. Schwarzenberg), Johannes Lobkowicz, Georg Salm-Reifferscheidt-Raitz, Friedrich von Thun, Thomas Thun, Pater Angelus Waldstein und Maria Waldstein-Wartenberg sind nun auf dem Portal Memory of nations zu sehen.
Gefördert durch den Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds.
Erich Prinz Lobkowicz wurde 1955 in München als zweiter Sohn von Nikolaus Lobkowicz geboren. Seine Familie ist mit den böhmischen Ländern fest verbunden, er selbst lebte dort aber nie. Mit seinen Kurztexten und Kommentaren begleitet er Sie durch die Ausstellung und ihre Themen, die auch ihm vertraut und entfernt zugleich sind.
Einführung
Böhmen war für uns die Heimat unserer Familie, ein Schlösser-übersätes Märchenland in der Mitte von Europa.
Glaube
Die großen Herrschaften waren sehr katholisch, und alle Vollzüge ihrer Konfession prägten den Alltag und das Jahr. Das hat sich durchaus auch in Flucht, Vertreibung und Exil durchgehalten.
Die Identifizierung der katholischen Kirche mit Habsburg konnte sie in Böhmen nie ganz abschütteln, was die unterschiedliche Entwicklung zwischen Böhmen und Polen erklärt. Kirche in Polen ist Volkswiderstand, Kirche in Böhmen war Teil des Staatsapparates.
Böhmischer Adel und Nationalstatt nach 1918
Die Tschechoslowakei zwischen den Kriegen, wie auch Böhmen in der Donaumonarchie, war ein hochentwickeltes Land mit großem Wohlstand, einer stolzen städtischen Bürgerschicht, einer hochentwickelten Kultur in Literatur und Musik und einer Adelsschicht, die mit ganz Europa verwoben war.
Patriotismus und Nationalismus?
Mein Vater war ein passionierter tschechischer Nationalist. Die slawische Bewegung des 19. Jahrhunderts, die Neuprägung der tschechischen Sprache, böhmische Musik und Kultur, all das war für ihn von großer Bedeutung und prägte auch uns, sodass, wenn wir in den1990er Jahren über die Grenze kamen, uns die Felder grüner, die Wälder größer und die Städte schöner erschienen.
Vertreibung, Exil oder Vertreibung
Viele Mitglieder der großen Familien sind im Lande geblieben und haben die kommunistische Unterdrückung mit den anderen geteilt. Sie waren vor dem Kommunismus im Lande sehr beliebt.
Nikolaus Lobkowicz
Mein Vater trug immer eine Aktentasche bei sich, mit seinem Pass und genug Geld, um zu entkommen, falls die Russen nachrücken würden. Er wollte nie ein Haus besitzen aus dem gleichen Grunde, und hatte eigentlich gar kein Verhältnis zu den flüchtigen Dingen dieser Welt. Den Verlust der Heimat aber, der Sprachgemeinschaft, der Freunde, der vielfältigen kulturellen und politischen Bezüge seiner Familie in diesem Land, das hat er nie ganz verwunden.
Richard Belcredi
Richard Belcredi war in unserer Jugend in München oft zu Gast. Eine rundliche Figur, meist lachend, für uns Kinder ein gern gesehener Gast.
Ferdinand Kinsky
Ferdinand Kinsky junior war ein naher Verwandter, sprachgewandt und weltläufig, mit entzückenden Kindern und einer sehr netten Frau. Im Haus der Familie in Nizza verbrachte ich als 16-Jähriger mal einen Teil der Sommerferien.
Karl Schwarzenberg
Mein Vater, wie auch Kari Schwarzenberg, kamen aus wahrhaft europäischen Familien. Die Heiratspolitik ging in der Geschichte von Spanien und Italien über Frankreich und Deutschland, war also keinesfalls auf Böhmen beschränkt. Der Eiserne Vorhang blieb ein künstliches Hindernis für sie, hinter dem die Menschen litten. Sie waren bereit alles zu tun, um dieses Leiden geringer zu machen.
Neuanfang nach 1989
Oft reisen wir im Jahreskreis nach Böhmen zu freudigen und traurigen Anlässen. Ich habe die Sprache nicht gelernt und nie dort gewohnt. Aber so viele Mitglieder meiner Familie sind nach Hause gekommen, konnten die Sprache oder haben sie gelernt und sind heute wieder tief verwurzelt.