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Nominations 2022

Deutschsprachige bohemistische und germanobohemistische Arbeiten

Frédéric Bußmann, Philipp Freytag (Hrsg.): Zwischen Avantgarde und Repression. Tschechische Fotografie 1948–1968. Kunstsammlungen Chemnitz/Dresden: Sandstein Verlag 2022

Der Band ist einem bedeutenden Kapitel der Fotogeschichte Tschechiens gewidmet. Die Jahre nach dem sozialistischen Februarumsturz 1948 waren von drastischen staatlichen Repressionen geprägt. Es folgte eine kurze, weit über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus wirkende Phase der Liberalisierung, die mit der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 abrupt endete. Beiträge von tschechischen und deutschen Fotohistorikern vermitteln einen lebendigen Eindruck von den kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Zeit.
Die tschechische Fotografie knüpfte nach 1945 stärker als irgend sonst an die avantgardistische Tradition der Zwischenkriegszeit an. Dies belegen die Werke von Josef Sudek, Vilém Reichmann, Emila Medková, Jan Svoboda und Josef Koudelka beispielhaft. Neben poetischen, das jeweilige Motiv künstlerisch abstrahierenden Fotografien finden sich eindringliche Dokumente der Zeitgeschichte.

 

Lena Sophie Dorn: Übersetzungsbewegungen. Zum Verhältnis von Literaturübersetzung und Nation. Wiesbaden: Harrasowitz Verlag 2023

Das Übersetzen von Literatur ist ein zentraler und zu wenig beachteter Teil der europäischen Kulturgeschichte. In dieser Arbeit wird die Kommunikation über die Bedeutung und Art von Übersetzungen als gesellschaftliche und ästhetische Aushandlung der Nation diskutiert. Anhand von reflexiven und kommentierenden tschechischsprachigen Texten des 19. Jahrhunderts wird gezeigt: Literarische Übersetzungen waren in der Zeit entstehender europäischer Nationalliteraturen so selbstverständlich wie umstritten, waren zugleich potentiell bedrohlich und unabdingbar. Unter anderen Josef Jungmann, Jakub Malý oder H. G. Schauer trugen zur Übersetzungsdebatte bei. In den zunehmenden Verflechtungen und Kontakten wurde das Übersetzen ein Bestandteil der Konstruktion des Nationalen. Auf der theoretischen Ebene geht es nicht um eine Übersetzung, durch die (kulturelle) Bedeutung objektiv fixiert werden könnte. Vielmehr entwickelt die Autorin den Begriff der „Übersetzungsbewegungen“, die mit den ästhetischen, gesellschaftlichen und epistemischen Haltungen verzahnt und veränderlich sind und nicht nur in eine Richtung weisen, sondern mitunter paradox funktionieren. Das Verhältnis von Übersetzung und Nation, das unsere literarische Kultur bis heute prägt, rückt damit ins Rampenlicht. Nationen entstanden nicht vor dem Übersetzen, sondern in ihm.

 

Hélène Leclerc: Lenka Reinerová und die Zeitschrift „Im Herzen Europas“. Internationale Kulturbeziehungen während des Prager Frühlings. Köln: Böhlau Verlag 2022

Die deutschsprachige Kulturzeitschrift „Im Herzen Europas“ wurde in Prag herausgegeben und verfolgte das Ziel, die tschechoslowakische Kultur im deutschsprachigen Ausland bekannt zu machen und in kulturdiplomatischer Mission die Beziehungen zu Österreich und Deutschland zu stärken. Darüber hinaus spiegelt die Zeitschrift die Entwicklungen in der Tschechoslowakei während des Prager Frühlings wider und erlaubt überaus interessante Einblicke in die Liberalisierungsprozesses des tschechoslowakischen Regimes der 1960er Jahre. Hélène Leclerc widmet sich in diesem Band der Reihe „Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert“ sowohl der Geschichte der Zeitschrift und ihrer Funktion als diplomatischem Instrument in den tschechoslowakisch-deutschen und tschechoslowakisch-österreichischen Beziehungen als auch der Rolle der Schriftstellerin und Journalistin Lenka Reinerová, die „Im Herzen Europas“ als Chefredakteurin maßgeblich beeinflusste.

 

Lucie Merhautová, Václav Petrbok, Michal Topor (Hrsg.): Emil Saudek (1876–1941). Ein Übersetzer und Kulturvermittler zwischen Metropole und Provinz. Köln: Böhlau Verlag 2022

Der Übersetzer Emil Saudek (1876–1941) gehört zu jenen jüdischen Vermittlern zwischen deutschsprachiger und tschechischer Kultur, deren Leben und Wirken bislang kaum beleuchtet wurde. Der Band stellt Saudeks Biografie in einen breiteren kulturgeschichtlichen Kontext und erlaubt spannende Einblicke in das Wien und Prag der Jahrhundertwende sowie die Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit. Emil Saudek wuchs in einer jüdischen Familie in der böhmisch-mährischen Provinz auf, studierte und arbeitete viele Jahre in Wien und ließ sich anschließend in Prag nieder. Neben seiner Beamtentätigkeit übersetzte er die Werke von bedeutenden Autoren wie Otokar Březina, Josef S. Machar oder Tomáš G. Masaryk ins Deutsche und veröffentlichte selbst in tschechisch- und deutschsprachigen Publikationen. Er verkehrte in illustren Kreisen und stand in Kontakt mit zahlreichen Schriftstellerinnen und Schriftstellern seiner Zeit wie Ivan Olbracht, Stefan Zweig, Růžena Svobodová und Hugo von Hofmannsthal. Der Band widmet sich der Biografie sowie der übersetzerischen und publizistischen Tätigkeiten Saudeks. Er war nicht nur ein Vermittler zwischen der deutschsprachigen und tschechischen Kultur, sondern aufgrund seiner Herkunft ebenso ein Vermittler zwischen Provinz und Metropole. Auch die Anfänge der Übersetzungstätigkeiten seines Sohnes Erik. A. Saudek werden behandelt und erlauben einen Ausblick auf das Wirken seines Vaters.

 

Alžběta Peštová: Mährische Moderne. Ein Beitrag zur regionalen Literaturgeschichte der Böhmischen Länder. Berlin u. a.: Peter Lang Verlag 2022

Als Orte der literarischen Moderne gelten meist nur die Großstädte Paris, London, Berlin oder Wien. Das vorliegende Buch zeigt, dass auch abseits der Metropolen avancierte und sozial engagierte Literatur möglich war. Dazu wird die „Mährische Moderne“ eingehender vorgestellt, eine Autorengruppe zu Beginn des 20. Jhs., die zwar innerhalb der Habsburger Monarchie agierte, aber aufgrund ihrer geographischen Lage auch die poetischen Innovationen des deutschen Kulturraums integrierte. Daraus entstand eine eigenständige Literatur zwischen Wiener Moderne und konsequentem Naturalismus. Neben ästhetischen und narrativen Aspekten kommen dabei zwei Themenschwerpunkte zur Sprache, die den transitorischen Prozess der Moderne diskursiv mitbestimmten: Die Krise der Familie und der nationale Konflikt.

 

Stefan Johann Schatz: Unterricht für die „Grenzlanddeutschen“. Das deutschsprachige Schulwesen im Reichsgau Sudetenland 1938–1945. Berlin u.a.: Peter Lang Verlag 2022

Nach dem Münchner Abkommen 1938 wurden die mehrheitlich deutsch besiedelten Gebiete der Tschechoslowakei in das Deutsche Reich eingegliedert. Im dort neu gebildeten Reichsgau Sudetenland übernahmen sudetendeutsche Funktionäre die Schulverwaltung und forderten selbstbewusst eigene Handlungsspielräume in der nationalsozialistischen Schulpolitik ein. Ihre Begründung dafür war, dass den Sudetendeutschen eine Führungsrolle in den böhmischen Ländern zustehe, da nur sie als erfahrene „Grenzlanddeutsche“ die dortigen nationalen Verhältnisse richtig einschätzen könnten. Dieses Buch analysiert, inwieweit die Schulverwaltung ihren Sonderanspruch bei der Angleichung des Schulaufbaus nach Reichsvorgaben, beim Tschechisch-, Deutsch- und Geschichtsunterricht und im Umgang mit der tschechischen Minderheit umsetzen konnte. Der Band enthält zudem einen zusammenfassenden Aufsatz in tschechischer Sprache.

 

Felizitas Schaub: Stadtnomaden. Mobilität und die Ordnung der Stadt: Berlin und Prag (1867–1914). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023

Dichte Migrationsbewegungen und eine hohe innerstädtische Mobilität führten in Berlin und Prag im späten 19. Jahrhundert zu Wahrnehmungen von Unübersichtlichkeit und Überforderung. Felizitas Schaub untersucht mit einem praxisorientierten Ansatz, wie die Verwaltungen und Bevölkerungen die Mobilität verhandelten und welche Lernprozesse, aber auch Strategien des Ausschlusses dadurch in Gang gesetzt wurden. Im Fokus der Untersuchung steht die Frage, wie sich Migranten und Migrantinnen organisierten, um ein gewisses Maß an Stabilität und lebensweltlicher Kontinuität zu schaffen. Welche Formen von Vergemeinschaftung in diesem Prozess entstanden, wird unter anderem an einem Netzwerk zwischen chinesischen Wanderhändlern und deutschen Vermietern veranschaulicht, das exemplarisch aufzeigt, wie kreativ die „Stadtnomaden“ mit restriktiven Bedingungen umgingen.

 

Martha Stellmacher: Von der Altneuschul zum Jerusalemtempel. Musikalische Praxis in Prager Synagogen vom 19. Jahrhundert bis zur Schoah. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023

Die religiöse Praxis jüdischer Gemeinden war und ist ein Ergebnis komplexer Aushandlungsprozesse. Dies gilt auch für die jüdische Gemeinde in Prag, die eine der ältesten in Europa ist. Die vorliegende Studie ist die erste umfangreiche Untersuchung der in der Forschung bisher vernachlässigten innerreligiösen und musikalischen Entwicklungen des Prager jüdischen Lebens vor der Schoah. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Formen und Bedeutungen des vielfältigen liturgischen Alltags sowie dessen Akteure und Repertoire in den etwa 30 Prager Synagogengemeinden im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

 

Aleksej Tikhonov: Sprachen der Exilgemeinde in Rixdorf (Berlin). Autorenidentifikation und linguistische Merkmale anhand von tschechischen Manuskripten aus dem 18./19. Jahrhundert. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2022

Vor fast 300 Jahren wurden Protestanten und Protestantinnen in Böhmen, Mähren und Schlesien verfolgt. Da sie an ihrem Glauben festhalten wollten, blieb ihnen nur die Flucht. Viele von ihnen gingen nach Preußen. In Berlin und Rixdorf (Berlin-Neukölln) siedelten sich im 18. Jahrhundert mehrere Tausend tschechische Protestantinnen und Protestanten an. Eine der Flüchtlingsgemeinden war die Brüdergemeine. Ihre Mitglieder verfassen bis heute Lebensläufe, die beim Begräbnisritual vorgelesen werden.

Über 180 Biografien aus dem 18./19. Jahrhundert werden mit modernen Methoden der Digital Humanities, aber auch mit philologischer Tiefe untersucht und erzählen mehr, als ihr Inhalt sagt. Es ist eine beispielhafte Geschichte sprachlicher und gesellschaftlicher Integration, die aus heutiger Zeit stammen könnte. Zusätzlich wird zum ersten Mal in der tschechischen Sprachgeschichte der Aspekt von Genderlinguistik in historischen Handschriften beachtet und eine große Sammlung von Manuskripten einer statistischen Analyse unterzogen.

 

Tschechischsprachige bohemistische und germanobohemistische Arbeiten

Peter Becher, Steffen Höhne, Jörg Krappmann, Manfred Weinberg: Kompendium německé literatury českých zemí [Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder]. Praha: Academia 2022

Die Publikation ist der bedeutendste Kristallisationspunkt und die materialreichste Umsetzung der neuen Herangehensweise an die Literatur dieser Region, die die etablierte Trennung zwischen humanistischer und ästhetisch hochwertiger „Prager“ deutscher Literatur auf der einen und konservativ-nationaler, minderwertiger „Sudeten“-Literatur auf der anderen Seite überwindet. Diese vereinfachende Vorstellung hat tiefere historische Wurzeln, ist aber seit den so genannten Liblice-Konferenzen in den 1960er Jahren nahezu hegemonial etabliert. Das Kompendium versucht dagegen, die Prozesse des kulturellen und literarischen Austauschs im gemeinsamen Raum der böhmischen Länder zu konzeptualisieren und zu beschreiben.

Neben dem Raum ist der Schlüsselbegriff des Buches die Interkulturalität als Herausforderung, die verschiedenen Modelle des Miteinanders, Gegeneinanders, Ineinanders und Nebeneinanders zu verstehen, die in dieser Literatur und ihren Institutionen angewandt wurden. Das Buch konzentriert sich in erster Linie auf die deutschsprachige Literatur der böhmischen Länder, bietet aber dank seines interkulturellen Ansatzes und der grundlegenden Erweiterung des „klassischen“ Kanons der „Prager deutschen Literatur“ einen ganz anderen, vielschichtigen Blick auf die deutsche Literatur der Region und damit eine neue Grundlage für das Nachdenken über die Wechselwirkungen zwischen tschechisch- und deutschsprachiger Literatur in diesem Raum.

 

Ivo Habán: Oskar Spielmann. Brno, Alger, Toulon [Oskar Spielmann. Brünn, Algier, Toulon]. o. O.: Arbor vitae societas 2024

Der in Brünn geborene Oskar Spielmann (1901–1974) war einer der bedeutenden, heute vergessenen tschechisch-deutschen Maler jüdischer Herkunft. Im Jahr 1926 schloss er erfolgreich die Akademie der Bildenden Künste in Prag ab. Nach fünf Jahren aktiver künstlerischer Tätigkeit in der Brünner Kunstszene reiste er jedoch im Sommer 1931 zu einem Studienaufenthalt nach Algerien, das bis 1965 seine neue Heimat wurde. Der Aufenthalt in Nordafrika hat sowohl Inhalt und Form seines künstlerischen Schaffens als auch sein Selbstverständnis tiefgreifend beeinflusst. Dies ist umso komplexer, als er 1940 die französische Staatsbürgerschaft annahm und den Rest seines Lebens als „pied noir“ in Toulon, Südfrankreich, lebte. Als Spielmanns in Nordafrika entstandene Werke Ende der 1930er Jahre in Brünn, Prag und Bratislava ausgestellt wurden, war der Künstler nicht allen Rezensenten und Besuchern der Ausstellungen bekannt. Aus mitteleuropäischer Sicht eröffnete sich ihnen etwas sehr Ungewöhnliches. Mit seiner poetischen Vision der Realität gelang es Spielmann bald, nicht nur das mitteleuropäische Publikum anzusprechen, sondern vor allem die algerische Gesellschaft der Kolonialzeit, die seine subjektiven Interpretationen der nordafrikanischen Realitäten aufnahm und als Teil der kulturellen Produktion der Region in das französische Mutterland exportierte. Die Faszination für Oskar Spielmanns Traumwelten hält bis heute an, und seine Rückkehr in den Kontext der tschechischen Kunst ist sowohl ein wichtiger kultureller Beitrag als auch eine Wiedergutmachung historischer Ungerechtigkeit.

 

Pavel Janoušek: Dějiny české literatury v Protektorátu Čechy a Morava [Die Geschichte der tschechischen Literatur im Protektorat Böhmen und Mähren]. o. O.: Academia 2022

Ziel des Buches ist es, zu verstehen, wie sich die tschechische Literatur zwischen September 1938 und Mai 1945 wandelte bzw. wie sie durch Ereignisse wie die deutsche Besatzung, das Protektorat Böhmen und Mähren, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, die wechselnde Lage an den Fronten und die Befreiung der Tschechoslowakei verändert und geprägt wurde. Das spezifische innenpolitische „Vorspiel“ zu diesen Ereignissen, d.h. die Zeit nach dem Münchner Abkommen und während der Zweiten Republik, wird nicht ausgespart. Das Buch zeichnet den Zusammenhang zwischen der künstlerischen Wahl der Sujets und den Umständen nach, unter denen sie stattfand. Dabei geht es nicht nur um Literatur im engeren Sinne, d.h. Lyrik, Prosa und Drama mit künstlerischem Anspruch und für Erwachsene, sondern auch um Sach- und Populärliteratur sowie Kinder- und Jugendliteratur. Die Beziehungen zwischen Literatur und Theater, Radio und Film, die literarische Dimension der zeitgenössischen städtischen Folklore und die literarische Bildung in der Schule werden ebenfalls beleuchtet.

 

Lenka Kerdová: Malý Berlín ve Velké Praze. Pražská meziválečná architektura německy mluvících architektů [Das kleine Berlin im großen Prag. Die Prager Architektur deutschsprachiger Architekten der Zwischenkriegszeit]. o. O.: Arbor vitae societas 2022

Woran denken wir, wenn wir über deutsche Architektur und den Einfluss des deutschen Kulturkreises sprechen?

Lenka Kerdová stellte sich diese Frage im Hinblick auf die zahlreichen Häuser, die deutschsprachige Architekten zwischen den beiden Weltkriegen in Prag entworfen haben. Sie stellt sie sich nicht als  homogenen Block vor, sondern versuche vielmehr, Unterschiede zwischen den Prager Werken deutschsprachiger Architekten zu finden, die sich aus deren unterschiedlichen Hintergründen, Ausbildungen und Ambitionen sowie den unterschiedlichen Ansprüchen ihrer Auftraggeber ergaben. Wie unterschied sich die deutsche Architektur im Prag der Zwischenkriegszeit von den Bauten der tschechischen Mehrheit? Warum erschien sie konservativer als der tschechische Funktionalismus? Welchen Platz nimmt sie im Kontext der Bauprojekte deutscher und mitteleuropäischer Städte ein? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen ist Lenka Kerdová ein außerordentlich aufschlussreiches Buch gelungen, das als erstes seiner Art bisher unbekannte Fakten und Zusammenhänge aufdeckt.

 

Eduard Kubů et al.: Za německou hroudu a zrno. Pelhřimov: Nová tiskárna 2023

Die deutsche Landschaft, deren Rolle in der „großen Geschichte“ oft vergessen wird, spielte eine unübersehbare, ja prägende Rolle in der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Entwicklung der böhmischen Länder. Sie war ein integraler Bestandteil der sozioökonomischen Modernisierungsprozesse und der nationalen Auseinandersetzungen. Das Buch ist eine Interpretation der Entstehung und Entwicklung der deutschen Bauernbewegung während der Habsburgermonarchie, mit Schwerpunkt auf dem damaligen Königreich Böhmen. Es füllt das Wissensvakuum über die bäuerlich-agrarische Emanzipation des deutsch besiedelten Landes nach dem Prinzip des Ständewesens und der Interessengemeinschaft, die in einer eigenständigen politischen Partei (Deutsche Agrarpartei in Böhmen) gipfelte. Sie bietet ein Verständnis für die Identität des deutschen Bauern im Prozess seines staatsbürgerlichen und nationalen Bewusstseins und trägt zum Verständnis der langfristigen Ausrichtung der deutschen Volksgemeinschaft in den böhmischen Ländern insgesamt bei.

 

Zuzana Urválková: Tajemství úspěchu. Německojazyčná knižnice Album nakladatele Ignáce Leopolda Kobra v širších literárních souvislostech [Geheimnisse des Erfolgs. Deutschsprachige Bibliothek Das Album des Verlegers Ignaz Leopold Kober in einem größeren literarischen Kontext]. o. O.: Host 2022

Wie kann man im neunzehnten Jahrhundert deutsche Romane verlegen und ein erfolgreicher tschechischer Verleger sein?

Die deutschsprachige Buchreihe „Album“ (1846–1861) war eine feste Größe auf dem mitteleuropäischen Buchmarkt: Sie bot deutschsprachige Originalromane konventioneller Art und konkurrierte mit den Übersetzungen populärer fremdsprachiger Werke, die damals den Buchmarkt überschwemmten. In den böhmischen Ländern gab das Kobra-Album den Anstoß zur Gründung einer ähnlichen Romanreihe – mit historischen und modernen Originalromanen von Kateřina Jeřábková, einer bekannten Prager Verlegerin und Herausgeberin der Zeitschrift „Lumír“. Urválková untersucht die Attraktivität der Gattungsauswahl des „Albums“ in Bezug auf die zeitgenössische tschechische Belletristik am Beispiel eines Genrebildes des Lebens, das zu einem Schnittpunkt verschiedener Formen der Literarizität wurde. Mit den methodischen Ansätzen der Rezeptionsästhetik und der synoptisch-pulsierenden Theorie stellt die Autorin das Verlagswesen und die literarische Tätigkeit in den 1850er Jahren als ein vielschichtiges, innerlich vielfältiges Netzwerk interkultureller und intertextueller Verbindungen dar, zu dem auch die Mehrsprachigkeit gehörte.

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